Startschuss für das Quantenzeitalter:O2 Telefónica steigert Effizienz und Sicherheit des Mobilfunknetzes mit Quantentechnologien in der AWS-Cloud

  • Quantencomputer berechnet optimale Telekommunikationsinfrastruktur für München
  • Einsatz von quantensicheren Verschlüsselungsmethoden im Mobilfunknetz, um dessen Sicherheit in Zukunft weiter zu erhöhen
  • Mallik Rao, Chief Technology & Enterprise Officer von O2 Telefónica: „SIM-Karten, Textnachrichten und Videoanrufe für Verbraucher, Unternehmen und Behörden werden so auch in der 6G-Ära mit fortschrittlichen Sicherheitsfunktionen geschützt.“
Credits: Telefónica Deutschland
Ein Quantencomputer unterstützt O2 Telefónica beim Netzausbau in München
Der Telekommunikationsanbieter O2 Telefónica wendet erstmals Quantentechnologien an, um die Leistungsfähigkeit seines Mobilfunknetzes zu erhöhen und neue Sicherheitsstandards für Datenübertragungen der Zukunft zu erproben. Im Hinblick auf die voranschreitende Digitalisierung bieten Quantentechnologien neue Methoden zur Lösung komplexer Rechenprobleme, die für klassische Systeme schwer zu lösen sind. Gleichzeitig ermöglichen sie eine quantenresistente Verschlüsselung. In einem Pilotprojekt arbeitet O2 Telefónica mit Telefónica SA, Amazon Web Services (AWS), Telefónica Tech und der Polytechnischen Universität Madrid (UPM) zusammen, um die Anwendung von Quantentechnologien im Mobilfunknetz zu untersuchen. Mit AWS hat O2 Telefónica in diesem Jahr auch ein neues cloudbasiertes Kernnetz gestartet, das mittlerweile eine Million Kund:innen nutzen können. Als weltweit erster Anbieter mit bestehendem Netz hat O2 Telefónica damit erfolgreich ein Kernnetz über die Cloudinfrastruktur von Amazon Web Services (AWS) implementiert, unterstützt durch die moderne Technologie des europäischen Netzausrüsters Nokia.  Bei dem aktuellen Piloten handelt es sich um eines der ersten koordinierten Projekte weltweit, um mehrere Quantentechnologien in einer Cloud-Umgebung zu testen. Dabei baut das Projekt auf der mehr als zehnjährigen Erfahrung von Telefónica bei Quantentechnologien auf. Das Unternehmen hat bereits mehrere Forschungsreihen im Telefónica Technology & Automation Lab in Madrid durchgeführt.
Mallik Rao
Mallik Rao, Chief Technology & Enterprise Officer bei O2 Telefónica, erklärt: „Wir starten in das Quantenzeitalter: Mit unserem Pilotprojekt machen wir einen bedeutenden Schritt in Richtung quantensicherer Mobilfunknetze der Zukunft. Wir schaffen heute die notwendigen Voraussetzungen, um Quantentechnologien und ihre Möglichkeiten optimal in unserem O2 Netz und zum Wohl unserer Kundinnen und Kunden einzusetzen. SIM-Karten, Textnachrichten und Videoanrufe für Verbraucher, Unternehmen und Behörden werden so auch in der 6G-Ära mit fortschrittlichen Sicherheitsfunktionen geschützt.“
Quantentechnologien haben das Potenzial, Telekommunikationsnetze zu transformieren, die Sicherheit zu erhöhen, die Infrastruktur zu optimieren und neue technologische Möglichkeiten zu erschließen“, sagt Matt Rehder, Vice President Core Networks bei AWS. „Durch die enge Zusammenarbeit mit Telekommunikationsanbietern wie O2 Telefónica und führenden akademischen Einrichtungen setzen wir Spitzenforschung in praktische Lösungen um. Die AWS-Cloud bietet leistungsstarke Werkzeuge zur Erforschung und Integration dieser Innovationen. Sie schafft eine sichere und effiziente Grundlage für die 6G-Netze von morgen, die eine Vielzahl digitaler Dienste für Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen ermöglichen werden."
„Die Quantenkommunikationstechnologie ist aufgrund der Notwendigkeit, mit Einzelquanten-Signalen zu arbeiten, äußerst anspruchsvoll. Dieses Pilotprojekt zeigt, wie die QKD-Technologie sinnvoll in ein sehr komplexes Netz integriert werden kann, um reale Anwendungsfälle abzusichern“, sagte Prof. Vicente Martin, Leiter der Forschungsgruppe für Quanteninformation an der Polytechnischen Universität Madrid (UPM).

Quantencomputer berechnen die optimale Position von Mobilfunkmasten

Wissenschaftler arbeitet an einem Lasersystem, das einen wichtigen Bestandteil von Neutralatom-Quantencomputern darstellt
Quantencomputer können bei der Optimierung der Telekommunikationsinfrastruktur von Nutzen sein, weshalb das Projekt dahingehend ihre Vorteile untersucht. In einem Teil des Projekts verwenden die Unternehmen einen über Amazon Braket zugänglichen Quantencomputer in Boston (USA), um die optimale Platzierung der Mobilfunkmasten von O2 Telefónica in München zu berechnen. Dabei handelt es sich um eine komplexe Rechenaufgabe. Es muss sichergestellt werden, dass sich die Abdeckungsbereiche zweier Masten möglichst nicht überschneiden, während gleichzeitig die Netzperformance maximiert wird. Dieser Prozess erfordert die Bewertung von Milliarden potenzieller Konfigurationen, die Variablen wie Frequenzbereiche, geografische Hindernisse wie Hochhäuser oder Bäume und mögliche Interferenzen zwischen Mobilfunkstandorten berücksichtigen.
Die Ergebnisse werden über Serverracks wie diese an der Universität in Madrid transportiert
Herkömmliche Computersysteme sind aufgrund des Umfangs und der Komplexität nicht ausreichend geeignet, um solche komplizierten Berechnungen effizient durchzuführen. Quantencomputer befinden sich zwar noch in einer frühen Entwicklungsphase, könnten aber dazu in der Lage sein, dieses Problem effektiv zu lösen, indem sie verschiedene mögliche Konfigurationen simulieren und die optimale Lösung schnell eingrenzen. In diesem Pilotprojekt wird ein Quantenprozessor verwendet, um die beste Anordnung zu finden, die die Netzabdeckung in München maximiert und gleichzeitig Störungen reduziert. Durch solche quantengestützten Berechnungen können Mobilfunkbetreiber 5G- und zukünftige 6G-Netze effizienter einsetzen, digitale Dienste verbessern und die Komplexität ihres Netzbetriebs verringern.

Sichere Mobilfunknetze mit quantenresistenter Verschlüsselung

Die Weiterentwicklung der Computertechnologie erfordert ebenso ausgefeilte Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Daten. Das Pilotprojekt von O2 Telefónica konzentriert sich daher ebenfalls darauf, quantenresistente Verschlüsselungstechniken zu erproben. Damit will O2 Telefónica sicherstellen, dass Mobilfunknetze auch bei künftigen Fortschritten der Entschlüsselungsmöglichkeiten widerstandsfähig bleiben.
Quantentechnologien sollen die digitale Vernetzung in Zukunft noch sicherer machen
Die Projektteilnehmer setzen zwei Ansätze zur Quantensicherheit ein: Post-Quanten-Kryptografie (Post-Quantum Cryptography; PQC) und Quantenschlüsselaustausch (Quantum Key Distribution; QKD). PQC verwendet kryptografische Algorithmen, die den Entschlüsselungsfähigkeiten von Quantencomputern standhalten sollen. Diese Quantentechnologie bietet eine widerstandsfähige Lösung für die Sicherung von Daten während der Übertragung. Die EU-Kommission empfiehlt in ihrer Erklärung vom April 2024: „Die mögliche künftige Entwicklung von Quantencomputern [...] macht es erforderlich, dass Europa nach stärkeren Schutzvorkehrungen sucht […], und zwar durch einen möglichst raschen Umstieg auf die Post-Quanten-Kryptografie.“
Dies steht im Einklang mit dem Ansatz von O2 Telefónica in diesem Pilotprojekt, bei dem die Ergebnisse der Quantenberechnung über das interne Backbone von AWS sicher von den USA nach Europa übertragen werden. Dabei wird die PQC-Verschlüsselung zum Schutz der Daten während des gesamten Übertragungsprozesses angewendet. Zusätzlich zur Quantenresistenz durch PQC werden die kritischsten Verbindungen via Quantenschlüsselaustausch (QKD) mit einer weiteren Sicherheitsebene geschützt. Dies steht im Einklang mit einer tiefgreifenden Sicherheitsstrategie (Defense-in-Depth; DiD), bei der mehrere Sicherheitsebenen kombiniert werden, um die Schlüsselverteilung über hochsensible Kommunikationskanäle, wie z. B. zwischen Rechenzentren und Satellitenverbindungen, zu schützen.
Mallik Rao ergänzt: „Die Frage ist nicht, ob eine quantenbasierte Verschlüsselung erforderlich sein wird, sondern wann. Mit diesem Pilotversuch werden wir vorausschauend tätig und erproben die notwendige Technik schon heute im realen Einsatz in unserem Netz. Wir implementieren Quantentechnologien in der Cloud, weil sie dort effizienter und schneller eingesetzt werden können als beim Aufbau einer eigenen Infrastruktur. Wir können quantensichere Verbindungen auch einfacher mit den zunehmend cloudbasierten Telekommunikationsdiensten kombinieren.“

Zukunft der mobilen Kommunikation

Die Erkenntnisse aus diesem Projekt werden zur Entwicklung zukünftiger 6G-Netze beitragen und sowohl die Sicherheit als auch die Leistung verbessern. Die eingesetzten Quantentechnologien werden eine Rolle für die der Sicherheit von Daten spielen, die über internationale Grenzen hinweg und zwischen terrestrischen Netzen und Satelliten übertragen werden.

So funktionieren Quantentechnologien

  • Beim Quantencomputing kommt ein sogenannter Quantenprozessor zum Einsatz, der auf einem Quantensystem und den Gesetzen der Quantenmechanik basiert, um Berechnungen auszuführen. Hierfür existieren verschiedene konkurrierende Ansätze für die Erzeugung von Quanten-Bits (kurz Qubits), u.a. auf Neutralatomen, Photonen, Supraleitern, Ionenfallen, Halbleitern oder topologischen Qubits basierende Prozessoren. Herkömmliche Computer verwenden hingegen elektronische Schaltkreise. Quantencomputer haben für ausgewählte Problemstellungen (z.B. bestimmte Optimierungsaufgaben) das Potenzial, herkömmliche Computer zukünftig zu übertreffen. Quantencomputer befinden sich derzeit noch im Entwicklungsstadium, es existieren aber bereits für Forschungs- und Entwicklungszwecke nutzbare Prozessoren.
  • Post-Quanten-Kryptografie (PQC) ist ein auf normalen Rechnern und Mobiltelefonen implementierbares softwarebasiertes Kodierungsverfahren, das selbst Quantencomputer nicht innerhalb realistischer Zeiträume entschlüsseln können. Es kann über beliebig lange Strecken verwendet werden. Weitverbreitete bisherige kryptografische Verfahren machen sich z.B. zunutze, dass die Zerlegung einer großen Zahl in Primfaktoren deutlich schwerer ist als die Multiplikation zweier Primfaktoren. Es wurde aber theoretisch gezeigt (vgl. Shor’s Algorithmus), dass Quantencomputer gegenüber klassischen Rechnern im Vorteil sind. Post-Quanten-Kryptografie setzt dagegen auf mathematischen Problemen auf, bei denen Quantencomputer keinen nennenswerten Geschwindigkeitsvorteil erzielen können, dies ist z.B. bei gitterbasierten Algorithmen der Fall. Erste PQC-Algorithmen wurden kürzlich vom US-amerikanischen NIST (National Institute of Standards and Technology) standardisiert.
  • Quantum Key Distribution (QKD) ist eine Methode zum sicheren Generieren und Austauschen von Schlüsseln, die typischerweise spezielle Hardware verwendet. Dabei werden die Gesetze der Quantenphysik genutzt, um sichere Kommunikationskanäle über Glasfaserkabel, Satellitenverbindungen oder Freiraumoptik aufzubauen und sichergestellt, dass kein Informationsabfluss möglich ist. Obwohl QKD im Allgemeinen auf Entfernungen von 100 bis 150 km beschränkt ist, werden bereits sog. Trusted Nodes verwendet, um die Reichweite zu erweitern und Quantenrepeater entwickelt, um die Skalierbarkeit für die Kommunikation über größere Entfernungen zu verbessern.

Von: Florian Streicher

Florian Streicher ist Pressesprecher (Senior Media Relations Manager) für Technologie- und HR-Themen bei O2 Telefónica. Er ist seit 2017 in der Kommunikationsabteilung des Unternehmens tätig, wo er sich um die kommunikativen Schwerpunkte Netzausbau, 5G, IT, Technologie-Innovationen und Personalthemen kümmert. Zuvor war er in der Kommunikationsberatung tätig.

Weitere Informationen:

Auf unserer 5G-Netzinfoseite finden Sie alle Informationen zum 5G-Mobilfunkstandard.

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