06.04.2020
CEO Markus Haas per Videokonferenz im FAZ-Interview:Die Krise bringt einen Schub für die Digitalisierung
Interviews in Zeiten von Corona: CEO Markus Haas diskutierte mit Achim Wambach, Chef der Monopolkommission, und zwei FAZ Redakteuren per Videokonferenz über die Bedeutung kritischer Infrastruktur, den Netzausbau und die Digitalisierung Deutschlands.
Wir veröffentlichen an dieser Stelle Auszüge des Gesprächs mit Zitat von Markus Haas. Das vollständige Interview erschien in der FAZ vom 6.4.2020.
In der Corona-Krise zeigt sich, welche Bedeutung die Telekommunikation als kritische Infrastruktur hat. Wird sich der Blick auf die Branche verändern?
Markus Haas: Unsere Netze haben den Stresstest durch die Krise bisher zum Glück gut überstanden. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Wir müssen weitere Milliardenbeträge investieren, obwohl das gerade in Deutschland eine Herausforderung darstellt. In kaum einem anderen Industrieland ist der Wettbewerb so scharf und die Zahlungsbereitschaft so gering. Nehmen Sie den Mobilfunk, im Schnitt kostet ein Anschluss weniger als 30 Cent am Tag. Vielleicht wird die Krise dazu führen, dass die Wertschätzung für unsere Kommunikationsnetze größer wird.
Wird die Telekommunikation zum Corona-Gewinner?
Markus Haas: Wir leisten unseren Beitrag, darauf verlässt man sich. Es wird sehr spürbar, dass die digitale Infrastruktur das Rückgrat von Wirtschaft und Gesellschaft bildet. Ich hoffe, dass daraus die richtigen Lehren gezogen werden. Es müssen alle Ampeln für die digitale Zukunft auf Grün gestellt werden.
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Wir arbeiten in der Krise mit Teams von Microsoft oder Skype, unsere Rechner laufen mit Intel-Chips, Handys funken über Huawei-Technik. Brauchen wir mehr Autarkie?
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Markus Haas: Was die technischen Plattformen angeht, sehen wir ein Umdenken. Da gibt es etwa die Cloud-Initiative aus dem Bundeswirtschaftsministerium und eine European Content Plattform, die besser zu unseren Vorstellungen von Datenschutz und Transparenz passt. Trotzdem werden wir weiterhin nichteuropäische Plattformen benötigen. Was Huawei angeht: Telefónica setzt auf Herstellervielfalt. Ich würde davor warnen, nur europäische Anbieter zuzulassen. Wir brauchen den Schwung durch die globale Innovation.
Weil digitale Infrastruktur so wichtig ist, will die Bundesregierung an der Staatsbeteiligung an der Deutschen Telekom festhalten. Liefert die Corona-Krise dafür ein neues Argument?
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Markus Haas: Wir verlassen uns bei unseren Investitionen auf faire Regeln. Aus der Bundesbeteiligung dürfen sich keine Sonderrechte oder Privilegien für die Telekom ableiten.
Gibt es solche Nischen ohne fairen Wettbewerb?
Markus Haas: Sicher nicht im Mobilfunk. Da geht es extrem intensiv zur Sache. Wir haben vor fünf Jahren E-Plus integriert. Seitdem sind die vom Statistischen Amt ermittelten Preise um sechs Prozent gesunken. Bezogen auf ein mobiles Datenvolumen von einem Gigabyte ist der Preis sogar um 95 Prozent gefallen.
Und im Festnetz?
Markus Haas: Da geht es um eine neue Balance zwischen Regulierung und den notwendigen Milliardeninvestitionen in Glasfaser. Der ganze Markt wartet auf Planungssicherheit. Auch wir. Wir sind offen für gemeinsame Investitionen in Glasfaser und stehen in einem konstruktiven Dialog mit der Telekom, um dafür ein langfristig gutes Modell zu finden. Wir wollen den Glasfaserausbau mitgestalten.
Wie wichtig ist das Festnetz für Telefónica?
Markus Haas: Wir werden unsere Schnittstelle zum Vodafone-Kabel zum Jahresende fertig haben und erschließen uns damit einen neuen Weg zu unseren Kunden. Zusätzlich haben wir eine Kabel-Vereinbarung mit Tele Columbus und Zugang zum VDSL-Netz der Telekom. In der Summe erreichen wir praktisch alle Haushalte in Deutschland auch über das Festnetz. Das macht Telefónica zu einem Vollsortimenter, der jedem Kunden ein passendes Produktpaket und dafür bestmöglicher Technologie anbieten kann. Das ist das beste Mittel gegen ein Duopol von Telekom und Vodafone.
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Telefónica drohen hohe Bußgelder, weil die Versorgungsauflagen aus der LTE-Auktion vor fünf Jahren nicht eingehalten wurden. Wie lange brauchen Sie noch dafür, Herr Haas?
Markus Haas: Wir sind in der Hochinvestitionsphase, um so schnell wie möglich die letzten Lücken zu schließen. Die Verzögerungen sind bedauerlich, aber man kann sie auch nicht allein Telefónica zuschreiben. Ein Teil der Frequenzen aus der Auktion ist erst mit Verspätung bereitgestellt worden. Immer noch verzögern die langwierigen Genehmigungsverfahren für neue Antennenstandorte den Bau. Achtzehn Monate dauert es im Schnitt vom Antrag bis zur Genehmigung, viel zu lange. Viele Baustellen sind dadurch blockiert. Wir sollten uns jetzt gemeinsam nach vorn orientieren und Vollgas geben. Sanktionen sind kontraproduktiv, wenn es darum geht, mehr und schneller in Infrastruktur zu investieren.
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Beim 5G-Ausbau sind uns Länder wie Südkorea und die Vereinigten Staaten schon wieder meilenweit voraus. Verpassen wir den Anschluss?
Markus Haas: Im Moment noch nicht. 5G wird im Wesentlichen zunächst in den Städten stattfinden. Und dort haben wir mit dem Ausbau begonnen. Fünf Städte gehen dieses Jahr an den Start, weitere 30 Städte folgen bis Ende 2021. Auch im Industriebereich läuft es gut an. Mit Daimler haben wir schon ein erstes Campusnetz gebaut. 5G wird die Technologie der nächsten zehn Jahre sei. Aber wir werden auch 4G noch sehr lange nutzen, vor allem in der Fläche.
Ihre Pläne klingen im Vergleich zu Südkorea ziemlich bescheiden, nicht wahr?
Markus Haas: Dort ist die 5G-Durchdringung tatsächlich schon sehr viel weiter. Aber erstens hat es dort keine teure Frequenzauktion gegeben, und zweitens gibt es dort eine ganz andere Zahlungsbereitschaft: Um die 40 Euro im Monat verglichen mit wenig mehr als 10 Euro in Deutschland. Unter solchen Voraussetzungen macht es mehr Spaß, zu investieren und für die neue Technologie ins Risiko zu gehen. Da geht es dann auch schneller.
In Deutschland will 1&1 Drillisch als vierter Mobilfunkanbieter antreten. Aber das Unternehmen baut nur in den Städten und will ansonsten auf andere Netze zurückgreifen. Nutzt das wirklich beim 5G-Ausbau?
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Markus Haas: Es geht um stabile Netze, und es geht um Skaleneffekte. Ich war 15 Jahre lang vierter Netzbetreiber und ich weiß, wie schwierig es ist, wenn man keine ausreichenden Größenvorteile hat. Deshalb kam es auch zur Fusion zwischen E-Plus und Telefónica, weil langfristig die Skaleneffekte nicht da waren. Die Monopolkommission hat übrigens 2003 schon gesagt, drei Netze sind vielleicht gar nicht so falsch, wenn die Zugangsbedingungen stimmen. Wie Sie richtig sagen, Herr Wambach, es gibt nicht die magische Zahl, ob es jetzt zwei, drei oder vier sind. Aber ich glaube, ein weiterer Anbieter ist einem zügigen 5G-Ausbau mit Blick auf die nötigen Skaleneffekte nicht förderlich.
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In zwei Jahren gibt es voraussichtlich die nächste Auktion. Was erwarten Sie?
Markus Haas: Es wird dann um Bestandsfrequenzen gehen, die heute vorwiegend für LTE genutzt werden. Auf deren Grundlage investieren wir gerade Milliarden, um die weißen Flecken zu beseitigen. Da frage ich mich schon, warum muss ich diese Frequenzen noch mal ersteigern? Wir plädieren deshalb für die Möglichkeit der Frequenzverlängerung, das wurde auch 2007 schon mal gemacht. Eine Versteigerung wäre kontraproduktiv. Die Lust, viel zu investieren, ist begrenzt, wenn man weiß, dass die Frequenz, in die ich jetzt investiere, vielleicht in fünf Jahren gar nicht mehr verfügbar ist. Das hemmt eher den Ausbau.
Haben Sie Signale, dass es in der Politik ein Umdenken geben könnte?
Markus Haas: Wenn Sie die Bevölkerung fragen: Die wollen Netze und keine Versteigerungen. Aber es gibt noch keine Entscheidung.
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Das Gespräch führten Helmut Bünder und Thiemo Heeg.
Wir veröffentlichen an dieser Stelle Auszüge des Gesprächs mit Zitat von Markus Haas. Das vollständige Interview erschien in der FAZ vom 6.4.2020.
Von: Guido Heitmann
Principal Corporate Communications, Reputation & Positioning
Guido Heitmann verantwortet seit August 2023 in der Kommunikation der O2 Telefónica die Reputations- und Positionierungsthemen des Unternehmens. Zuvor leitete er unter anderem das Corporate Communications Team der Unternehmenskommunikation. Er ist seit 2001 im Kommunikationsteam des Unternehmens in unterschiedlichen Funktionen tätig, ursprünglich bei der E-Plus Gruppe und seit 2014 bei O2 Telefónica. Geboren in Buxtehude, Diplom-Kaufmann, Schifffahrtskaufmann und zuvor Kommunikator der Hapag-Lloyd AG in Hamburg. Kommunikationsthemenschwerpunkte: Reputation, Digitalisierung, Regulierung, Recht und unternehmerische Verantwortung.
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