14.06.2019
CEO Markus Haas im FAZ-Interview zum Ausgang der Frequenzauktion:„Hier zeigt sich der Irrsinn der Infrastrukturförderung“
Telefónica Deutschland versorgt mehr als 45 Millionen Mobilfunkkunden, so viele wie kein anderer Anbieter in Deutschland. CEO Markus Haas äußert sich im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur 5G-Auktion und ihren Folgen.
Wir veröffentlichen an dieser Stelle Auszüge des Interviews. Das vollständige Interview ist sowohl online als auch in der Print-Ausgabe der FAZ vom 14.06.2019 erschienen.
[…]
Herr Haas, insgesamt 6,6 Milliarden werden die 5G-Frequenzen verschlingen, viel mehr als erwartet. Wie wird die Branche und wie wird Ihr Unternehmen mit dieser gewaltigen Summe zurechtkommen?
Markus Haas: Wir hätten wie alle Beteiligten gern weniger für ein Stück Papier ausgegeben. Aber als privatwirtschaftliche Unternehmen gehen wir solche Verfahren mit einer klaren Kalkulation und entsprechender Verantwortung gegenüber unseren Investoren und Anteilseigner an. Deshalb zählt am Ende für uns, dass wir für Telefónica Deutschland genau das Spektrum erworben haben, das wir für unseren Betrieb, unsere Strategie und letztlich für das Netz- und Leistungsversprechen an unsere Kunden benötigen. Und wir können das auch solide finanzieren.
Letztlich haben sich doch alle Beteiligten verzockt. Das jetzige Auktionsergebnis stand bereits nach dem ersten Drittel der Auktion genauso auf dem Tableau – zu einem Bruchteil der nun zu zahlenden Preise.
Markus Haas: Es ist doch das Wesen einer Auktion, dass jeder Teilnehmer im Verlauf versucht, seine Position so optimal wie möglich zu gestalten. Das führt dann zuweilen zu dem Pingpong aus Bieten und Überbieten einzelner Blöcke, wie man es beobachten konnte. Das verwendete Auktionsdesign führt nahezu zwangsläufig zu solch einem Verlauf.
Was lief falsch?
Markus Haas: Das deutsche Auktionsdesign ist schon speziell. Es findet komplett im Schein der Öffentlichkeit statt, was ein taktischeres Bietverhalten massiv erschwert. Auch einige andere Ansätze sind aus meiner Sicht eher antiquiert. Es macht in einer digitalen Welt wirklich wenig Sinn, dass unsere Teams in Mainz unter dauerhafter Beobachtung vor einem Rechner und neben einem Faxgerät sitzen und nur dort Eingaben tätigen können. Den größten Bärendienst hat die Bundesnetzagentur der Politik und den Verbrauchern allerdings mit der künstlichen Verknappung des Spektrums getan.
Dieses Spektrum ist aber doch für die Industrie reserviert, um digitale Anwendungen voranzubringen. Argumentieren Sie nicht zu einseitig?
Markus Haas: Der dadurch entstandene Kollateralschaden für Deutschland ist viel größer. Die 100 MHz Frequenzreserve war maßlos überdimensioniert und hat das Spektrum für die Auktion massiv verknappt. Es sind die Mobilfunkunternehmen, die die flächendeckenden Netze bauen sollen – nicht Volkswagen oder BMW. Die Industriezuteilung war eine Fehlentscheidung, die den Infrastrukturausbau in Deutschland im schlimmsten Fall um Jahre zurückwirft. In keinem anderen Land wird wertvolles Spektrum derartig verschwendet.
Andererseits warten viele Industrieunternehmen längst ungeduldig auf die 5G-Frequenzen, oder?
Markus Haas: Es hat nie eine Bedarfsabfrage gegeben. Jetzt zeigt eine Erhebung des Branchenverbands Bitkom, dass das industrielle Interesse eher zurückhaltend ist. Doch für den Netzausbau fehlen jetzt erhebliche Mittel, und er kann sich signifikant verzögern. So wird Deutschland kein 5G Vorreiter.
Können Sie denn den Verbrauchern irgendwie Hoffnung machen?
Markus Haas: Was es jetzt schnell und entschlossen braucht, ist ein echter Schulterschluss aller Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Behörden. Wenn alle an einen Tisch kommen und an einem Strang ziehen, statt mit dem Finger aufeinander zu zeigen, kann Deutschland doch noch auf die Überholspur bei der digitalen Infrastruktur kommen.
Wie soll das gelingen?
Markus Haas: Ich sehe hier drei wesentliche Ansätze. Erstens: So ein Auktionsverfahren wie das gerade abgelaufene darf es nicht wieder geben. Das 2025 neu zur Vergabe anstehende Flächenspektrum sollte stattdessen gegen Ausbauauflagen für die bundesweit investierenden Netzbetreiber verlängert statt versteigert werden. So fließt das Geld unmittelbar in den Netzausbau. Zweitens: Die bundesweit aktiven Mobilfunknetzbetreiber sollten verstärkt kooperieren dürfen. Schon heute teilen wir rund 70% der Mobilfunkmasten, also der passiven Infrastruktur. Da geht sicher noch mehr, um insbesondere ländliche Gebiete und Verkehrswege besser zu versorgen. Entscheidend sind hierfür aber die Rahmenbedingungen. Ein zu enges rechtliches Korsett führt nur in kommerzielle Sackgassen und zu weiteren Verzögerungen. Und drittens muss es speziell für den Mobilfunk ein staatliches Förderprogramm für den letzten Lückenschluss bei weißen Flecken geben. Für viele der bestehenden weißen Flecken gibt es keine privatwirtschaftlich abbildbare Versorgungsmöglichkeit.
Für den letzten Punkt gibt es doch einen Plan: Die Erlöse der Auktion sollen in einen 12 Milliarden Euro umfassenden Topf für den Breitbandausbau fließen.
Markus Haas: Genau da zeigt sich ja der Irrsinn zwischen Wunsch und Wirklichkeit der aktuellen Infrastrukturförderung. Die Erlöse der Auktion und das genannte Förderprogramm beziehen sich laut Koalitionsvertrag ausschließlich auf die Förderung von Glasfaser – also Festnetz. Im Klartext heißt das dann: Ich entziehe über eine falsch gestaltete Auktion der Mobilfunkbranche viele Milliarden Euro an Investitionsmitteln und fördere damit eine in Teilen konkurrierende Technologie. Gleichzeitig fordere ich von den Auktionsteilnehmern einen massiven Ausbau der Infrastruktur, drohe mit verschärften Strafen, will kommerziell unrentable und technologisch unsinnige Kooperationsmodelle wie nationales bzw. lokales Roaming erzwingen und beschneide durch eine anhaltende Regulierung von Gebühren permanent bestehende Erlösquellen.
[…]
Wann wird 5G zum Massenmarkt?
Markus Haas: Wie immer ist die Marktumstellung auf einen neuen Standard ein jahrelanger Prozess. Alte Netze werden ja nicht einfach abgeschaltet. Auch heute hat längst nicht jeder LTE, es gibt noch viel Nachfrage nach 3G. Wir können unser Netz rasch auf 5G aufrüsten, doch auch LTE, also 4G, wird noch wenigstens 10 Jahre lang laufen und entscheidend zur erforderlichen Flächenversorgung beitragen.
Wobei ja selbst 4G immer noch große Lücken hat. Wann wird sich das ändern?
Markus Haas: Zunächst einmal: Bis Ende 2019 gibt es eine Zusage der Betreiber, bundesweit 98% der Bevölkerung mit schnellem 4G zu versorgen. Wären wir gerne schon weiter? Ja. Aber wir haben als Industrie seit dem Jahr 2000 auch mehr als 60 Milliarden Euro an Lizenzgebühren abgeführt. Mit den Geldern wurden sicher viele wichtige Dinge finanziert und die Sozialkassen gestützt. Infrastruktur wurde damit aber nicht gefördert, und das wird nun zunehmend spürbar. Trotzdem schiebt die Politik den Mobilfunkunternehmen den schwarzen Peter zu.
Die Diskussion geht aktuell nicht um die Bevölkerungsversorgung, sondern um eine Flächenversorgung. Und da sind die Lücken noch größer.
Markus Haas: Funkwellen folgen den Gesetzen der Physik. Und Unternehmen denen der Ökonomie. Beides wird hier bei den Forderungen zu einer 5G Vollversorgung negiert. Ein Funkmast mit dem aktuell versteigerten Spektrum kann nur in einem Umkreis von ein paar Hundert Metern eine 5G Versorgung herstellen. Deshalb meine Forderung nach einer punktuellen staatlichen Förderung im mobilen Breitbandausbau – ob nun mit 4G oder 5G. Wenn die Politik an jedem Baum in der Eifel oder dem Bayrischen Wald eine mobile Internetversorgung bereitstellen möchte, dann muss sie dieses mitfinanzieren. Das muss für das Gros der absehbar relevanten Anwendungsgebiete auch nicht immer 5G sein. Den allermeisten Nutzern in bislang unterversorgten Gebieten wäre mit gut ausgebautem 4G schon massiv weitergeholfen.
Mit Drillisch geht jetzt wieder ein vierter Mobilfunkbetreiber an den Start. Was bedeutet das für den Wettbewerb und die Preise?
Markus Haas: Für solche Prognosen ist es viel zu früh. Wir haben nach der Versteigerung im Jahr 2000 am Beispiel Mobilcom schon mal erlebt, wie ambitionierte Netzbetriebspläne krachend gescheitert sind. Nach zwei Jahren war der Herausforderer ein Sanierungsfall. Drillisch ist zwar kein Newcomer. Ohne ausreichende Skaleneffekte bleibt es dennoch sehr schwierig, ein effizientes Netz aufzubauen und zu betreiben.
[…]
Halten Sie Ihre Klage gegen die Auktion aufrecht?
Markus Haas: Ja. Diese Versteigerung war rechtswidrig, weil die Versorgungsauflagen auf die nachträgliche Verschärfung einer bestandskräftig abgeschlossenen früheren Auktion hinauslaufen. Entsprechendes gilt für die künstliche Verknappung von Frequenzen durch die Industriezuteilung.
Es kann also sein, dass wir bald die nächste 5G-Auktion sehen?
Markus Haas: Oder das Gericht kippt oder entschärft nachträglich die Auflagen. Aber im Extremfall kann es auch durchaus zu einem neuen Vergabeverfahren kommen. Bei gutem Willen ließe sich das in einem halben Jahr durchziehen. Alles wäre besser als der aktuell definierte Rahmen. Es geht schließlich um die richtige Weichenstellung für die kommenden zwanzig Jahre.
Von: Guido Heitmann
Principal Corporate Communications, Reputation & Positioning
Guido Heitmann verantwortet seit August 2023 in der Kommunikation der O2 Telefónica die Reputations- und Positionierungsthemen des Unternehmens. Zuvor leitete er unter anderem das Corporate Communications Team der Unternehmenskommunikation. Er ist seit 2001 im Kommunikationsteam des Unternehmens in unterschiedlichen Funktionen tätig, ursprünglich bei der E-Plus Gruppe und seit 2014 bei O2 Telefónica. Geboren in Buxtehude, Diplom-Kaufmann, Schifffahrtskaufmann und zuvor Kommunikator der Hapag-Lloyd AG in Hamburg. Kommunikationsthemenschwerpunkte: Reputation, Digitalisierung, Regulierung, Recht und unternehmerische Verantwortung.
Weitere Informationen
Die Nummer eins im deutschen Mobilfunk stellt Weichen für 5G:
Telefónica Deutschland erwirbt wertvolles Frequenzspektrum für die neueste Mobilfunktechnologie 5G
Telefónica Deutschlands 3-Punkte-Plan für eine flächendeckende Mobilfunkversorgung:
Aufruf für eine schnelle und umfassende Mobilfunk-Breitbandversorgung in Deutschland