24.02.2017
UdL Digital Talk mit FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner:Scheitern gehört dazu
Wie wird Deutschland bei der digitalen Transformation abschneiden? Wie können wir in der Spitzengruppe mitspielen oder sogar Champion werden? Von Start-up Safari, über erfolgreiches Scheitern bis zum Digitalminister: Beim 41. UdL Digital Talk im Telefónica BASECAMP diskutierten FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner und Raffaela Rein, Co-Gründerin der Lernplattform für Programmierer CareerFoundry, über die Hürden, die Deutschland auf dem Weg zum digitalen Champion noch überspringen muss. Moderiert wurde die erfolgreichste politische Talk Show im deutschsprachigen Internet vom Produzenten Cherno Jobatey.
Raffaela Rein hat trotz der Sorgen ihrer Eltern Mut bewiesen und ein Start-up gegründet. „Ich hatte eine klare Vision: Ich wollte ein Problem lösen. Es gibt viele Menschen, die unglücklich in ihrem Job sind und die durch das Training digitaler Fähigkeiten ganz neue Perspektiven haben. Und nicht nur für sie ist es gut, sondern auch für die Unternehmen, die dann von diesen digitalen Fähigkeiten profitieren.“ Der Mut hat sich gelohnt: Mittlerweile beschäftigt ihre digitale Lernplattform CareerFoundry 50 Mitarbeiter und ist mit dem Konzept auch in den USA erfolgreich. CareerFoundry richtet sich an Menschen, die programmieren, Apps entwickeln und das Bauen von Websites erlernen wollen. Damit ist Raffaela Rein nicht nur Expertin in Sachen Gründen in Deutschland, sondern fördert mit dem Start-up die digitale Ausbildung im Land.
Es braucht ein neues Unternehmerbild
Christian Lindner würde dieses Beispiel der jungen Frau gerne ausschneiden und hochhalten – so, dass viele andere Menschen in Deutschland davon inspiriert werden. Denn seiner Meinung nach fehlt es an Vorbildern. Es brauche ein neues Unternehmerbild, so der FDP-Chef. Unternehmer in Deutschland hätten immer noch den Ruf, dass sie entweder Glück gehabt haben oder Ausbeuter sind. Wie Raffaela Rein allerdings eindrucksvoll zeige, gehe es vielmehr um die Freude, Probleme zu lösen und die Welt ein klein bisschen besser zu machen – statt in erster Linie um das große Geld. Zu einem neuen Unternehmerbild gehöre auch ein neues Lebensgefühl. „Ich bin mit dem Scheitern jeden Tag konfrontiert“, sagte Lindner selbstironisch mit Blick auf vergangene Misserfolge seiner Partei. Aber Scheitern gehöre dazu. Die Gesellschaft bestrafe das allerdings mit Häme. Erfolg wiederrum führe zu Neid. Diese Häme-Neid-Kultur sei ein schlechtes Zeugnis für eine Gesellschaft, die digital erfolgreich sein wolle, so der FDP-Spitzenkandidat weiter. „Die Politik muss entschlossen vorangehen. Mut zeigen ist das beste Zeichen, dass die Menschen auch mutig sein dürfen“.
Die Start-up Safari alleine reicht nicht
„Ich fühle mich manchmal wie im Zoo. Ständig kommt eine Start-up Safari vorbei“, berichtet Raffaela Rein. Das seien Vertreter aus der Industrie, die gerne sehen wollten, wie Digitalisierung so geht. „Anschauen tun sie es sich alle, aber ausprobieren nur die wenigsten“, stellte die junge Gründerin fest. In Deutschland seien viele sehr zurückhaltend, was digitale Möglichkeiten angehe. CareerFoundry mache mehr Umsatz in den USA als in Deutschland, weil hierzulande Online-Lernen immer noch als etwas Exotisches gelte, so Raffaela. „Es ist schon absurd: Meinen Partner suche ich wie selbstverständlich online, aber online lernen ist für viele komisch.“ Sie fordert deshalb eine digitale Bildungsprämie, damit mehr Menschen animiert werden, sich fortzubilden und so digitale Kompetenzen in die verschiedenen Unternehmen tragen.
Diskussion um staatliche Subvention für Digitalisierung
Christian Lindner hält nichts von einer staatlichen Förderung. Stattdessen brauche es mehr Wagniskapital und auch die Regulierung für Geldanlagen Lebensversicherer müsse liberalisiert werden, so Lindner. Das könne einen Boom an Investitionen auslösen. Raffaela Rein entgegnete, dass attraktive Steuersätze beispielsweise dazu führten, dass Investoren lieber in Londoner Start-ups investierten als in Berliner. In Deutschland seinen Investoren zudem sehr vorsichtig. Gerade in der Anfangszeit, so Raffaela Rein, kann eine staatliche Finanzspritze die Zeit überbrücken, bis eine digitale Idee so viele Nutzer hat, dass auch Investoren einsteigen.
Neues Engagement des Staates
Viel Zustimmung der Gäste erhielt der Frontmann der FDP mit seiner Forderung nach einem Digitalminister in der Bundesregierung. Die bisher zuständigen Minister für Justiz, Inneres, Infrastruktur und Forschung hätten jeweils andere Prioritäten und würden zu wenig Fokus auf die Digitalpolitik legen. Neue Maßnahmen zur Finanzierung des Glasfaserausbaus in Deutschland seien laut Lindner ebenso wie eine vollständige Digitalisierung der Verwaltung wichtige Faktoren für Erfolg und Akzeptanz neuer Technologien in der Bevölkerung.
Lebenslanges Lernen soll keine Drohung sein
Lebenslanges Lernen könne bedrohlich wirken, weil das staatliche Lernen veraltet sei und viele von der Schule traumatisiert, so die Talk-Gäste. „Lernen muss spielerisch sein, Spaß machen“, so Raffaela Rein, die das mit CareerFoundry umsetzt. Christian Lindner ergänzte, dass das Otto-Normal-Arbeitsverhältnis – Ausbildung, ein Arbeitgeber, 40 Stunden pro Woche – überholt sei. Heute wechsle man häufiger den Job, die Branche und auch die Inhalte. „Wir müssen uns vom klassischen Lebenslauf unserer Eltern lösen, das galt mal zwischen den 1950ern und 1990ern“, so der FDP-Politiker. Heute müssten die Menschen flexibler sein, wenn Deutschland bei der Digitalisierung vorne mitspielen wolle.
Telefónica Deutschland gestaltet die digitale Zukunft maßgeblich mit
Telefónica Deutschland ermöglicht als Telekommunikationsunternehmen nicht nur die Digitalisierung, sondern fördert die öffentliche Debatte über die Zukunft der digitalen Welt und des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das Telefónica BASECAMP in Berlin dient hierfür als Zentrum. So finden Woche für Woche viele verschiedene Veranstaltungen statt, die sich mit vielfältigen Aspekten der Digitalisierung auseinandersetzen. Mit digitalen Multiplikatoren, Unternehmen, Verbrauchern, Politikern und Wissenschaftlern werden Trends, Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung diskutiert.
Von: Julia Lindner
Julia Lindner ist Pressesprecherin bei Telefónica Deutschland.
Weitere Informationen
Raffaela Reins Lernplattform für Programmierer: CareerFoundry
Mehr über die Veranstaltungsreihe: UdL Digital Talk